Lähmender Perfektionismus auf der Bühne

Egal, ob Tanz, Schauspiel oder Musik: Uns wird nach wie vor weiß gemacht, dass der Schlüssel zum Erfolg die Fehlerlosigkeit, die absolute Perfektion sei. Das ist nicht nur während des Studiums der Fall, sondern viele kennen diesen Standard schon von zu Hause, abseits der Bühne. Dabei ist Perfektionismus ein Trugschluss.

Was ist Perfektionismus?

Eine gute, allgemein gültige, wissenschaftlich anerkannte Definition für den Perfektionismus gibt es leider nicht. Was wir sicherlich festhalten können ist, dass Perfektionismus ein übertriebenes Streben nach Perfektion oder Vollkommenheit ist. Für manche ist es wie ein Zwang zur absoluten Fehlervermeidung, und zwar nicht nur während des Auftritts, sondern in ihrem gesamten Denken und Handeln. Besonders Bühnenkünstler sieht man immer wieder, dass der Alltag davon bestimmt ist, keine Fehler zu machen. Sie haben ständig die Befürchtung, die eigenen Erwartungen nicht zu erfüllen. 

Die drei Faktoren des Perfektionusmus

Die Forscher Gordon Flett und Paul Hewitt haben drei Faktoren ermitteln können, die für den Perfektionismus charakteristisch sind:

  1. Der auf sich selbst bezogene Perfektionismus, also der Wunsch, perfekt zu sein
  2. Der auf andere bezogene Perfektionismus, also die Erwartung an andere, perfekt zu sein
  3. Der sozial auferlegte Perfektionismus, also der Glaube nur gemocht zu werden, wenn man perfekt ist.

 

Erkennst Du Dich wieder?

Ist Perfektionusmus immer schlecht?

Kurz und knapp: Nein. Wie es so schön heißt: Die Dosis macht das Gift und es kommt vor allem auf die Umstände an. Ein hoher Anspruch an Dich selbst zieht noch längst keine Erkrankung oder negative Folgen nach sich. Es gibt genug Künstler, die als Beispiel dafür vorangehen. Die Frage ist viel mehr, wie Du mit Fehlern umgehst, wie es um Dein Selbstvertrauen steht und ob Du von Ängsten begleitet wirst. Denn das ist das, was häufig hinter „negativem Perfektionismus“ steckt. 

 

Wenn Du allerdings so hohe Erwartungen an Dich hast, dass sie kaum erfüllbar sind, wirst Du möglicherweise häufig mit Ängsten, Unzufriedenheit und Selbstzweifeln zu tun haben. Das merkst Du an Dingen wie ständiger Selbstanklage, niedergeschlagene oder trübe Stimmung und möglicherweise fühlst Du dich auch müde oder innerlich unruhig. Häufig dreht sich das gesamte Denken und Fühlen darum, fehlerlos zu sein.

 

Was glaubst Du, wo Du Dich siehst? Was glaubst Du, wo Dein Umfeld Dich sieht?

Umgang mit Perfektionismus

Perfektionismus entsteht im Kopf und ist von Kindheit an geprägt. Dahinter stecken festgefahrene Denkmuster, Verhaltensweisen und such immer wiederholende Gewohnheiten, die zur Belastung werden oder geworden sind. Wenn man aus dem Hamsterrad aussteigen möchte, muss man es häufig erst verstehen, um zu wissen, wo genau man ansetzen kann.

Das Bild vom Teufelskreis des Perfektionismus verdeutlicht, dass selbst Erfolg den Strudel nicht zum Stillstand bringt. Gleichzeitig zeigt es, dass man an unterschiedlichen Stellen ansetzen kann, um den Stress oder die innere Anspannung zu verringen und das Muster aufzubrechen.

Du könntest beispielsweise Deinen Umgang mit Fehlern neu bewerten. Du könntest auch die Qualität Deines Überituals hinterfragen oder aber Du setzt bei Deinen Selbstzweifeln an. Jeder Ansatz kann etwas verändern. 

Bitte merke Dir aber immer: Solch eine Veränderung braucht Zeit, Geduld und einen liebevollen Umgang mit Dir selbst!

Fazit

Seinen Auftritt fehlerlos gestalten zu wollen ist kein Verbrechen und grundsätzlich ein guter, zulässiger Gedanke. Wenn dieses Denkmuster aber die Überhand gewinnt und man statt Bühnenkünstler ein Erbsenzähler ist, kann der andauernde Wunsch nach Perfektion hinderlich sein und uns sogar lähmen.

 

Wie willst Du es schaffen Dein Publikum zu begeistern, wenn Du selbst an Dir zweifelst? Warum soll Dich Dein Publikum lieben, wenn Du es selbst nicht tust? Nur weil Du Fehler machst? Nur weil Du ein Mensch und keine Maschine bist?

 

Bedenke immer: Das Publikum will keinen perfekten Auftritt, sondern das Publikum bezahlt dafür, etwas zu erleben. Es will Dich erleben und Deine Interpretation auf der Bühne. Es will Dich erleben, wie Du bist, mit allen Stärken und Schwächen, mit allem, was Du zu geben hast.

 

Deine