Bessere Fehlerkultur gegen Lampenfieber

Während meines Studiums und auch während meines Bühnenlebens hatte ich immer wieder Schwierigkeiten mit dem Meckern und Nörgeln an den kleinsten Kleinigkeiten. „Also der Ton könnte noch ein wenig runder sein.“ oder „Du bist einen viertel Ton zu tief.“ Sicherlich alles berechtigte Anmerkungen, dafür werden die Professoren immerhin bezahlt. Gleichzeitig habe ich mir ständig gewünscht, mal die Kirche im Dorf zu lassen und einfach nur zu singen.

 

Kein Künstler scheint gerne über seine Fehler auf dem Podium zu sprechen. Ein vergeigter Ton, ein Kieksen beim Singen, ein Stolperer oder ein Texthänger. Alle haben das schon einmal erlebt und doch scheint Fehlerlosigkeit und Perfektion auf der Bühne der heilige Grahl zu sein. Dabei gehört ein adäquater Umgang mit Fehlern zur wichtigsten Kernkompetenz gegen Lampenfieber.

Angstfreies Üben

Habe ich schon im Vorhinein Angst davor Fehler zu machen, wird diese Angst unweigerlich während des Übens mit einstudiert. So kann eine bestimmte Stelle oder Passage in Deiner Darbietung auf der Bühne punktförmig Angst erzeugen, wenn sie bereits vorher mit Angst eingeübt wurde.

 

Wer Angst davor hat, einen Fehler zu machen, versucht bereits im Vorfeld Schwierigkeiten mit prophylaktischen Korrekturimpulsen entgegenzuwirken. „Es könnte ja schief gehen!“. Dadurch lernen wir allerdings nicht mit einer ruhigen, immer sicherer werdenden Vorwärtsbewegung, sondern stehen uns dieser quasi selbst im Weg. Dadurch kann schnell ein Teufelskreis entstehen, der „Angst vor der Angst“ zur Folge hat. 

Fehler machen will gelernt sein

Dafür gibt es nur eine, etwas paradoxe Lösung: Lerne beim Üben Fehler vollkommen auszuspielen, ja regelrecht auszukosten. Da reicht dann auch der einmalige Vorsatz nicht. Es bedarf schon eine beträchtliche Anzahl an Wiederholungen (10 - 15 Mal), um eine unsaubere Stelle ohne jede zwanghafte Überprüfung oder sofortige Nachkorrektur stehen zu lassen. Aufgrund der vorliegenden „Fehlerinformationen“ kann man in den folgenden Übewiederholungen die Korrektur besser mit einplanen. Das Prinzip der Fehlertoleranz führt demnach geradewegs zur Fehlervermeidung OHNE Angst. Die Erlaubnis Fehler machen zu dürfen erzeugt einen Zustand, durch den wir „besser“, entspannter und zielgerichteter agieren.

 

Das klingt im ersten Step nach einem Tropfen auf dem heißen Stein, ist aber enorm wichtig. Er vermeidet im Vorfeld ein „Fehl“-Verhalten, welches sich später auf der Bühne potenzieren könnte. Mit Mut und ohne Reue einen falschen Ton zu spielen oder zu singen, den falschen Text zu sprechen oder den Tanzschritt inkorrekt auszuführen. Dieses Vorgehen kann man üben und lernen, es erfordert und fördert dabei auch einen gewissen Humor – Humor erzeugt Gelassenheit und Freude. 

Fehlerkultur im Unterricht

Bereits im Unterricht nimmt der Lehrer im Umgang mit Fehlern eine entscheidende Rolle ein: In einer Situation, in der beispielsweise Ausstrahlung oder Klang im Vordergrund stehen, sollte ein falscher Ton oder Text seitens des Lehrers überhaupt nicht kommentiert werden – nicht mal durch einen bestimmten Gesichtsausdruck. Es ist doch völlig klar, dass der Fokus des Schülers auf einem anderen Detail liegt, somit sind Fehler in diesem Moment auch unvermeidlich.

Dazu sei gesagt, dass auch Lehrer Fehler machen. Das Eingeständnis von Fehlern seitens des Lehrers ist konstruktiv für das Selbstbewusstsein des Schülers oder der Schülerin.

Fazit

Ohne Fehler keine Perfektion. Die Natur ist ein gutes Beispiel dafür, dass Fehler (oder auch das Scheitern) eine der wichtigsten Eigenschaften überhaupt ist. Ein junges Raubtier verhungert ja nicht wegen eines misslungenen Jagdversuches, sondern es lernt daraus für das nächste Mal.

 

Ohne Fehlermöglichkeit ist kreatives Verhalten undenkbar. Der Zwang zur Perfektion ist lähmend. Viel wichtiger ist, dass das System unserer Persönlichkeit auf alle Ereignisse flexibel reagieren kann, als dass es keine Fehler macht. Perfektion – sofern sie denn überhaupt möglich ist – ist nur über Flexibilität erreichbar. 

 

Ich glaube, wenn ich damals mehr Mut zum Fehler machen gehabt hätte, wäre mir einiges leichter gefallen und viele erspart geblieben. Deshalb möchte ich Dir an dieser Stelle nochmal Mut machen. Sei mutig beim Üben und traue Dich, Fehler zu machen. Geißel Dich nicht für gemachte Fehler und vor allem, ärgere Dich nicht über sie. Bedenke: Perfektion ist etwas Starres. Dein Publikum aber will Flexibilität und Lebendigkeit.

 

Deine