Für die meisten ist Lampenfieber ein großes „Ding“, das wie ein Damoklesschwert über uns hängt und hinabfällt, sobald wir einen Fehler machen. So unsere Vorstellung. Aber ist Dir aufgefallen, dass Lampenfieber in kleinen Schüben, also wellenartig, kommt?
Wellen vor dem Lampenfieber
Lampenfieber kommt in Wellen, die bei jedem Betroffenen unterschiedlich verlaufen und unterschiedliche wahrgenommen werden. Manche erleben ihren „Höhepunkt“ kurz vor dem Auftritt. Andere spüren die ganze Palette der Symptome, sobald der Auftritt beginnt. Die nächsten haben schon Tage und Nächte vorher mit Angstzuständen zu kämpfen. Manchmal so schlimm, dass psychosomatische Symptome auftreten. Das kann die Pianistin sein, die vor einem geplanten Auftritt immer wieder eine Sehnenscheidenentzündung hat. Oder der Sänger, der kurz vorher krank wird.
Es gibt sogar das Phänomen, dass Künstler sich über ihr Lampenfieber am Morgen vor dem Auftritt freuen. Sie haben beobachtet, dass das Lampenfieber beim Auftritt selbst dadurch umso schwächer ist. Es ist sozusagen „abgegolten“.
Wellen während des Auftrittes
Es gibt auch Wellen während eines Auftrittes, wir bekommen es nur selten mit. Meistens bei schwierigen Passagen, äußeren Störungen verbunden mit körperlichen Lampenfiebersymptomen. Da werden aus kleinen Lampenfieberwellen mal schnell ein Tsunami.
Die Lampenfieberwellen können sich dagegen auch wie ein kleiner Kick anfühlen. Dann können wir unser Verhalten sogar konstruktiv beeinflussen. Einen Moment, in dem Du Dich glücklich, technisch vollkommen sicher und ausdrucksstark fühlst, solltest Du ganz tief in Deinem Gedächtnis verankern. Am besten mit einem passenden Gefühl dazu, wie „Ich fliege!“ oder „Ich schwebe!“. Dadurch bist Du zu einem späteren Zeitpunkt in der Lage, diesen Zustand schneller anzustreben oder gar abzurufen.
Nach dem Auftritt
Nach dem Auftritt geht das Lampenfieber zurück. Auch diese Phase kann sich unterschiedlich anfühlen. Manche grübeln noch eine Zeit über den Auftritt nach und fragen sich, ob sie ihren Job wirklich gut gemacht haben und können nicht mal mehr den Applaus genießen. Andere sind froh, dass es vorbei ist und müssen nach dem Auftritt tief durchatmen, um wieder am Leben teilnehmen zu können. Wer vorher starke körperliche Symptome gehabt hat, verspürt nach dem Auftritt häufig Müdigkeit und Hunger. Das liegt an dem abfallenden Adrenalinspiegel. Der Körper stand für kurze Zeit unter extremer Anspannung. Lässt diese dann nach, dominiert die Müdigkeit.
Andere Künstler berichten, dass sie sich nach einem Auftritt einfach gut fühlen. Sie blicken mit einem gewissen Stolz zurück, denn nicht nur der Auftritt ist gut gelaufen, sie sind auch erfolgreich mit der Angst umgegangen. Damit erscheint die große Aufregung vor dem Konzert manchmal geradezu lächerlich, ja unbegreiflich: „War das jetzt wirklich nötig? Wovor hatte ich nur so Angst?“



Surfe auf der Lampenfieber-Welle
Das Wissen um die Wellenform des Lampenfiebers kann eine beruhigende Wirkung haben, denn ganz gleich, wie schlimm der Zustand währenddessen ist, er geht auch wieder vorbei. Und damit bist Du übrigens nicht allein. Es geht allen Künstlern, ja sogar allen Menschen weltweit so. Es handelt sich um einen vollkommen natürlichen Prozess – auch wenn die wechselnden Phasen unterschiedlich angenehm sind.
Der Trick ist, auf den Wellen zu surfen, mit ihnen zu gehen und sich von ihnen tragen zu lassen. Das kannst Du Dir sogar bildlich vorstellen: Sobald Du eine Welle Deines Lampenfiebers spürst, nimmst Du Dein imaginäres Surfboard, stellst dich drauf und beugst leicht Deine Knie. Spüre, wie fest Deine Füße auf dem Untergrund sind, wie sie sich mit ihm verbinden und Du eins mit ihm bist. Balanciere Dich aus, atme ruhig und tief und spüre Deine Stabilität. Verwurzele Dich mit Deinem Untergrund - mit Deinem imaginären Surfboard.
Kannst Du wahrnehmen, wie die Welle Dich trägt?