Wusstest Du, dass wir rund 20.000-mal am Tag atmen? Ob als Meditation oder als Achtsamkeitsübung im Alltag - den Atmen haben wir immer dabei. Mittlerweile ist man sich sogar gewiss, dass Atemtechniken Lampenfieber reduzieren, Bluthochdruck senken und Ängste reduzieren können.
Was passiert während der Atem-Achtsamkeit?
Die liebevolle Beobachtung unseres Atmens hat Einfluss auf unsere Gehirnaktivität. Im EEG zu sehen, wie sich die Gehirnwellen verlangsamen und sich zu sogenannten Alpha-Wellen verändern. Dadurch wird es uns ermöglicht, die Fähigkeit zur Selbstbeobachtung zu verbessern. Außerdem hat die Technik Einfluss auf unseren Umgang mit wiederkehrenden Gedanken und sie fördert insbesondere unsere Fähigkeit zur Dezentrierung, sodass wir weniger über uns selbst nachdenken und im Denkprozess flexibler werden. Dadurch können wir auch Zusammenhänge besser erkennen. Im Vergleich zu anderen Methoden (wie progressive Muskelentspannung oder Meditation) sehen Forscher*innen hier einen besonderen Vorteil dieser Methode, wenn es um das Thema Stressmanagement geht.
Eine weitere Studie belegt, dass das bewusste Folgen des Atmens effektiv schwierige Emotionen reguliert. Bei der Untersuchung der Gehirnprozesse konnte man sehen, dass die neuronalen Verbindungen zwischen den emotionsrelevanten Kerngebieten (Amygdala) und den steuerungs- und handlungsorientierten Netzwerken (präfrontaler Kortex) erhöht sind.
Was können wir mit der Atmung steuern?
Grob gesagt können wir mit der Atmung sowohl direkt als auch indirekt alles in unserem Körper steuern. Ja - wirklich alles. Manches können wir direkt verändern, anderes können wir nur indirekt beeinflussen. Unser Atmen ist an sehr vielen Prozessen im Körper beteiligt, daher auch ihr großer Einfluss:
- Sie ist beteiligt an der Energieproduktion des Körpers (Freisetzung von Adenosintriphosphat (ATP) in den Mitochondrien)
- Sie beeinflusst damit auch unsere körperliche Leistungsfähigkeit
- Sie beeinflusst gleichzeitig unsere mentale Leistungsfähigkeit und damit auch das Gedächtnis
- Sie reguliert Vitalfunktionen, wie den Herzschlag, die Verdauung und den Stoffwechsel mit
- Sie ist an der Regulation des Säure-Basen-Haushaltes beteiligt
Atemachtsamkeit reduziert Lampenfieber
Lampenfieber ist kein gewöhnlicher Stress. Es hängen viele kognitive, emotionale und körperliche Prozesse damit zusammen. Eine 2013 veröffentlichte Studie von Dr. Martin Paulus der University of California belegt, dass man sich selbst durch bewusstes und langsames Atmen beruhigen kann. Lampenfieber führt dazu, dass wir den Atem anhalten oder lediglich in kurzen, schnellen Frequenzen über unseren Brustkorb atmen und das ist wie süßer Nektar für unser Lampenfieber.
Das Schöne an den Achtsamkeitsübungen ist, dass Du sie immer wieder zwischendurch am Tag machen kannst und auch üben solltest. Das hilft dir, sobald es zum Lampenfieber kommt. Denn wenn Du mitten im Lampenfieber steckst, kannst du leichter auf die Technik zurückgreifen. Bedenke, dass Dein Atmen im Stress ein wenig länger braucht, um ruhig zu werden.
1. In den Bauch atmen
Lege Deine Hände sanft auf Deinen Bauch. Spüre bewusst Den Kontakt Deiner Hände auf Deiner Bauchdecke. Atme zunächst ein paar Mal tief ein und aus. Stelle dir bildlich vor, wie der Atem durch Deine Nase, den Rachen entlang, an Deinen Rippen vorbei in den Bauch fließt. Probiere, Deinen Atem ganz bewusst im Bauchraum zu sammeln. Gib Dir Zeit und beobachte den Vorgang liebevoll. Du kannst Dir auch gedanklich mit Worten helfen:
Einatmen - Bauchdecke hebt sich.
Ausatmen - Bauchdecke sinkt ab.
Diese Übung führt dich ins Hier und Jetzt. Der Atem fungiert als Dein Anker. Denn atmen kannst Du nur im Hier und Jetzt. Nicht in der Vergangenheit und nicht in der Zukunft. Nur in diesem Augenblick.
2. Dem Atem näher kommen
Bei dieser Übung konzentrierst Du Dich auf einen bestimmten Aspekt Deines Atems. Du könntest Dich bspw. auf die Region konzentrieren, wo du den Atem am meisten spürst. Der Rachen? Die Nasenflügel? Oder der Bauch? Nimm wahr, wie der Atem durch Deine Nase ein- und ausströmt. Werde Dir dann bewusst, dass der Prozess des Ein- und Ausatmens wie ein Aufnehmen und Loslassen des Atems ist. Mit dem Einatmen nimmst Du Sauerstoff auf, mit dem Ausatmen geht ein Gefühl des Loslassens einher. Bleibe mit Deiner vollen Konzentration bei diesem Wechsel.
Einatmen — Aufnehmen
Ausatmen — Loslassen.
Wenn Du magst und es Deine Konzentration zulässt, kannst Du zusätzlich versuchen die Temperatur der Luftströmungen wahrzunehmen. Kühle Frische beim Einatmen, wärmende Luft beim Ausatmen.
3. Verlängerte Ausatmung für einen ruhigen Geist
Im Hoch des Lampenfiebers dreht das Gedankenkarussell gerne seine Runden. Das kann uns bspw. auch vor dem Schlafengehen passieren. Hierzu eignet sich eine verlängerte Ausatmung sehr gut. Durch das verlängerte Ausatmen fokussieren wir uns automatisch mehr auf das “Loslassen” (s. Übung 2) und beruhigen Körper und Geist. Das Zählen unterstützt Dich dabei. Du kannst beim Einatmen z.B. bis vier und beim Ausatmen bis sechs oder acht zählen.
Ein — zwei, drei, vier
Aus — zwei, drei, vier, fünf, sechs.
Im alltag
Wenn Du das Atemtraining nicht gewohnt bist, übe es in einem ruhigen Umfeld - am besten zu Hause - und nimm Dir dabei etwas Zeit. Es reichen schon 5 Minuten am Tag. Wenn Du ein Gefühl dafür entwickelt hast, kannst Du die Übungen auch zwischendurch am Tag machen: Wenn Du auf den Bus wartest, wenn Du an der Kasse stehst oder Du gerade auf Dein Essen wartest.
Wenn es dann Richtung Auftritt geht und zum Lampenfieber kommt, wird es Dir leichter fallen, die Übungen anzuwenden. Gleichzeitig wird die regelmäßige, tägliche Anwendung der Atem-Achtsamkeit kein Stresslevel generell vermindern und sich positiv auf Dein Lampenfieber auswirken.