Leistungsdruck gehört zu den liebsten Hauptmahlzeiten des Lampenfiebers bei Bühnenkünstlern. Wer auf der Bühne seine Brötchen verdienen will, ist Leistungsdruck schon während der Ausbildung ausgesetzt. Es beginnt mit gnadenlosen Konkurrenzdenken, geht über politisches Gemauschel bis hin zum Mobbing. Kein Wunder, dass Lampenfieber bei Künstlern ein ständiger Begleiter ist.
Tänzer
Oft werden die jungen Mädchen und Jungen von ihren Eltern und Trainern darauf getrimmt, die Besten zu sein. Im Ballett existieren zudem traditionelle Körperideale, denen sie gerecht werden möchten. Um einen „perfekten“ Körper für den Tanz zu haben, greifen Tänzerinnern und Tänzer schon früh während der Ausbildung zu radikalen Mitteln. Folglich sind Bulimie, Magersucht und andere Essstörungen unter diesen Tänzerinnen und Tänzern weit verbreitet, wenn natürlich auch nicht bei jedem. Wie die jungen Menschen aber mit diesem Druck adäquat umgehen können, wird meistens nicht gelehrt.
Musiker
Wenn sie auch körperlich mehr oder weniger verschont bleiben, ist der Wettbewerb deshalb nicht weniger groß. Wie besessen üben und üben sie viele Stunden am Tag und isolieren sich nach und nach, nur um den einen, freien Platz im Orchester zu bekommen. Selbst wenn diese Hürde einmal erfolgreich gemeistert wurde, fängt der Leistungsdruck dann erst richtig an. Die Lampenfieber-Quote bei Orchestermusikern liegt bei weit über 50%. Es werden bis zu 95% angenommen, da man von einer sehr hohen Dunkelziffer ausgeht. Das Thema ist in dem Bereich völlig tabu und auch hier wird deshalb zu extremen Mitteln gegriffen, damit der Körper funktioniert. Medikamente wie Betablocker oder sogar Tranquilizer verschaffen Abhilfe und sind selbstverständlich.
Sänger
Ebenso wie die Instrumentalisten, stehen auch professionelle Sängerinnen und Sänger unter hohem Druck, da die Erwartungen der Öffentlichkeit sehr hoch sind. Dementsprechend haben sie große, psychische Belastungen auszuhalten. Folgen können Atemwegsinfekte und stimmliche Überlastungen sein, die häufig ganz alltäglich sind. Die Balance zwischen Hochleistung und Regeneration gerät schnell aus den Fugen. In der Berufspraxis macht sich jedes Unwohlsein gerade bei Sängern direkt am Instrument bemerkbar. Stimmung und Stimme haben nicht umsonst den gleichen Wortstamm. Jedes Versagen wird anschließend mit zusätzlichem Üben bestraft. Die Angst vor dem Versagen überträgt sich anschließend wieder auf den Körper. Ein Teufelskreis.
Schauspieler
Auch wenn Schauspieler nicht im klassischen Sinne musizieren, ist ihr gesamter Körper – ja, jede einzelne Zelle –ihr Instrument. Von Beginn an geht es nur um das Eine. Obendrein ist ein Teil der Grundlagen des Studiums darauf ausgerichtet, sich zu öffnen und seine individuellen Lebenserfahrungen, also sein eigenes Material, zur Verfügung zu stellen. Das heißt, sie werden direkt zu Beginn in eine sehr intensive Auseinandersetzung mit sich selbst geschubst und das in einem Alter, in dem man noch recht jung und emotional ist. Für viele Schauspieler*innen ist Anerkennung der (heimliche) Antrieb für ihren Beruf, aus dem sich auch eine gewisse Sucht entwickeln kann. Diffuse Ängste als Mensch oder als Schauspieler*in nicht anerkannt zu werden sind häufig tägliche Begleiter. Neben dem Druck der Branche und der Notwendigkeit Geld zu verdienen, kommt also noch ein selbst auferlegter Druck on top.
Lösung: Selbstvertrauen und Abgrenzung
Leider mangelt es häufig während des Studiums daran, den Studenten wahres Selbstvertrauen zu vermitteln. Die jungen Menschen gehen an die Hochschulen mit dem Ziel, ihren Traum zu verwirklichen und bleiben als Menschen mit ihren Gefühlen und Bedürfnissen viel zu oft völlig auf der Strecke.
Ressourcen und Selbstvertrauen
Um Deine Ressourcen und somit Dein Selbstvertrauen im Beruf wiederzuerlangen, solltest Du Dir Zeit für Dich nehmen und Dich intensiv mit folgenden Fragen beschäftigen:
- Was hat Dich an Deinem Beruf fasziniert? Was hat dich magisch angezogen?
- Was waren Deine ersten Erfolge und wie genau sahen sie aus?
- Welche Besonderheiten und Qualitäten glaubst Du schätzen andere an Dir?
- Was hat gleich auf Anhieb bei Deinem Berufseinstieg funktioniert?
- Welcher Abschnitt in Deinem Berufsleben hatte bisher den größten Wohlfühlfaktor?
- Welches sind Deine ganz speziellen Fähigkeiten, die nur Du hast?
- Welches ist Deine „zuckersüße“ Erfolgsfantasie?
- Wie hältst Du, trotz der vielen Alltagsaufgaben, Dein Interesse wach?
Schreibe es ausführlich auf, entdecke Deine Ressourcen und einzigartigen Fähigkeiten wieder und erkenne, was für eine wunderbare Bereicherung Du für Deinen Berufsstand bist.
Grenzen
Grenzen können auf unterschiedlichen Ebenen gesetzt werden. Als Bühnenkünstler wirst Du höchstwahrscheinlich alle Ebenen nutzen müssen.
SICH ABGRENZEN
Wenn Lehrer, Regisseure oder Dirigenten mit viel (Nach-)Druck und obendrein sehr „reizvoll“ ihre Anweisungen geben, kann das schonmal an die Nieren gehen. Mache Dir bewusst, dass diese Menschen selbst unter hohem Druck stehen und sich obendrein über Deinen Erfolg definieren. Wie heißt es so schön „Sch…ße fließt abwärts.“ Wenn Du also von diesen Personen Druck abbekommst, klappe in Gedanken Deinen Regenschirm auf und lasse die Sch…ße einfach an dir vorbeilaufen. Du kannst Dich gedanklich auch mit Haltungen oder Gesten unterstützen, indem Du Deine Hände auf dem Kopf ablegst, Deine Hände vor dir (als Zeichen der Grenze) faltest oder Deine Arme verschränkst.
GRENZEN ZIEHEN
Bis hier hin und nicht weiter! Bist Du bei einer Probe oder Stunde und Du merkst, dass Dein Körper einfach nicht mehr will oder kann? Es gibt Momente, in denen es völlig legitim ist, „Nein“ zu sagen. Das ist Dein gutes Recht, um Dich und Deinen Körper zu schützen. So wie Du dein Stück probierst, so probe auch das „Nein“ sagen. Lege dir mit einem Schal oder einem Seil DEINEN Raum (groß, klein, eckig, rund etc.) auf den Boden, stelle dich hinein und spüre, wie gut es sein kann, sich von dem Druck andere abzugrenzen. Sobald es zur besagten Situation kommt, kannst Du die oben erwähnten Gesten als mentale Stütze nutzen. Bedanke immer: Ein „Nein“ zu anderen ist immer ein „Ja“ zu dir selbst!
SICH SELBST BEGRENZEN
Gerade in Deinem Beruf ist Regeneration das A und O. Wenn Du NOCH MEHR übst und NOCH MEHR probierst, machst Du es aller Wahrscheinlichkeit nach schlimmer. Gönne dir Pausen, sei lieb zu Dir und übe mit Strategie, nicht mit Druck. Merke: Druck erzeugt Gegendruck. Auch bei dir selbst.